IMA2020: Keynote Marina Weisband | © Jakob Börner
News · 02.12.20

Neue Selbst­wirk­sam­keit dank Digi­tali­sier­ung

Marina Weisband, Expertin für digitale Partizipation und Bildung, machte den Auftakt: Mit ihrem Impuls begann der diesjährige Kongress Innovatives Management. „Digitalisierung ist Beziehungsarbeit“, so Weisbands via Livestream vorgetragene These. Wo das Digitale unser Zusammenleben und -arbeiten verändert, werden Kooperation und Kollaboration die Schlüssel zum Handeln. Das bedeutet mehr Verantwortung – und die braucht selbstwirksame Gestalter:innen.

Die 400 zugeschalteten Zuhörer:innen waren sich einig: ein inspirierender Eröffnungsvortrag kam da aus dem Münsterland von der Psychologin, die ihre eigene Selbstwirksamkeit bereits eindrucksvoll bewiesen hat. Mit der Piratenpartei würfelte die Aktivistin einst das etablierte Parteiensystem Deutschlands durcheinander und machte überraschend deutlich: Das Digitale eröffnet weitreichende Möglichkeiten zur Veränderung.

Partizipation als Bürgerpflicht

Marina Weisband untersuchte die Ermächtigung des Einzelnen durch die Digitalisierung. Die Chance entsteht dank einer stark vereinfachten Partizipation. Bürger:innnen sind potenziell besser informiert und dadurch mächtiger als jede Generation zuvor. Die digitalen Werkzeuge ermöglichen die Entwicklung von Materialien ohne große Produktionsmittel. Das kann negative Folgen haben: Desinformation, Überwachungstendenzen oder Autokratie. Es bedeutet aber auch eine Stärkung kleinerer Gruppen („Communities“), in denen der oder die Einzelne gestalterisch aktiv werden kann. „Die Digitalisierung ist weder besonders demokratisch noch besonders undemokratisch“, so Weisband. „Sie ist lediglich ein Verstärker für gesellschaftliche Tendenzen.“ Ziel der bürgerlichen Gesellschaft sollte daher sein, mehr Zusammenhalt zu erzeugen.

„Die Digitalisierung ist weder besonders demokratisch noch besonders undemokratisch. Sie ist lediglich ein Verstärker für gesellschaftliche Tendenzen.“

Marina Weisband Diplompsychologin und Expertin für digitale Partizipation und Bildung

Leichter gesagt als getan?

„Die Lehrer machen doch eh, was sie wollen …“ Der Satz zeichnet die Ohnmachtserfahrung von Schüler:innen nach. Viele Lehrer:innen dagegen fürchten den Autoritätsverlust, weil ihnen aktuelle technische Skills fehlen. Auch die Verwaltung erlebt einen gefühlten Kontrollverlust: Die Digitalisierung wird häufig als Überforderung empfunden. Alles Beispiele für „das Konzept der erlernten Hilflosigkeit“, wie Weisband das Phänomen nennt. Doch Partizipation setzt die Bereitschaft, sich einzubringen voraus.

In Weisbands kooperativem Gegenentwurf beherrschen und vermitteln Schüler:innen die Technik, während Lehrer:innen Medienkompetenz lehren. Basierend auf dieser Erfahrung von Selbstwirksamkeit erleben beide Gruppen einen Rollenwandel: von Konsument:innen zu Gestalter:innen, von der Autorität zu Gastgeber:innen.

Marina Weisband im Interview

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Die vier großen K

Welche Kompetenzen braucht es, um selbstwirksam zu werden und zu partizipieren? „Genau jene, die kein Computer und keine KI je können werden!“ lautet Weisbands Antwort. Neben einer übergeordneten Persönlichkeitsentwicklung sind das Kommunikation, Kollaboration, kritisches Denken und Kreativität. 

Allerdings gibt es auch einige Voraussetzungen, um Partizipation erfolgreich umzusetzen. Organisationsentwicklung gehört dazu sowie Vorlaufzeit, Investitionen in Personal und eine hohe Verbindlichkeit mit geregelten Entscheidungsbefugnissen und -pflichten. Eine „Placebo-Beteiligung“ ist damit ebenso passé wie ein reines Verwalten. Die gewonnene Macht verlangt auch Verantwortung. Dahinter steht die Pflicht sich zu entwickeln. All das funktioniert nur gemeinsam, kooperativ und kollaborativ; also weitreichend anders als bisher, verdeutlicht Weisband und ergänzt abschließend: „Wir müssen einander mehr bilden!“