Herr Dr. Brandl, Sie kennen beide Seiten der Digitalisierungsmedaille:
Einerseits wissen Sie, wie Digitalisierung über einen Spitzenverband vorangetrieben wird. Andererseits haben Sie als Bürgermeister einer Kommune mit etwas über 10.000 Einwohnern auch Erfahrung darin, welche Herausforderungen sich in der Praxis bei der Umsetzung stellen. Gehen diese beiden Welten zusammen?
Dr. Uwe Brandl: Natürlich passen diese beiden Welten zusammen. Es handelt sich ja gerade nicht um eine gegensätzliche Position, denn mit dem Deutschen Städte- und Gemeindebund vertreten wir die Interessen von mehr als 10.000 Kommunen in Deutschland. Daher stehen die Anforderungen und Erfahrungen aus der kommunalen Praxis, wie auch ich sie in rund 30 Jahren als Bürgermeister machen durfte, im Mittelpunkt. Allen Protagonisten im Digitalisierungsprozess ist vollkommen klar, dass es ohne digitale Werkzeuge in Zukunft nicht mehr funktionieren wird. Diese Erkenntnis vertreten wir als kommunaler Spitzenverband mit Überzeugung. Als Spitzenverband schauen wir im Übrigen sehr genau auf die Rückmeldungen aus den Städten und Gemeinden. Vor Ort zeigt sich, wie realistisch die Pläne von Bund und Ländern sind. Und genau daran richten wir unsere Politik als Spitzenverband aus.
Was uns besonders interessiert: Die Digitalisierung darf nicht nur in Mega Cities oder Millionenstädten funktionieren. Sie muss es auch in kleinen Kommunen. Wie erleben Sie das im Alltag? Gibt es Beispiele der kleinen Kommunen, die bei der Digitalisierung vorangehen? Haben diese vielleicht sogar Vorteile, weil Prozesse weniger komplex und Datenmengen geringer sind?
Dr. Uwe Brandl: Digitalisierung bietet für Kommunen aller Größenklassen immense Chancen. In der öffentlichen Diskussion werden vielleicht immer noch zu sehr die großen Städte beleuchtet. Das führt aber nicht zum Ziel, denn es ist in der Tat so, dass es sich bei der Umsetzung von Digitalisierungsvorhaben ja immer auch um Veränderungsprozesse innerhalb einer Verwaltung handelt, die gesteuert und moderiert werden müssen. Das kann in kleineren Gemeinden oder mittleren Städten manchmal besser gelingen als in den Großstädten. Als Beispiel kann hier etwa die bayerische Gemeinde Spiegelau dienen, die schon viel umgesetzt haben und die Digitalisierung sogar auf ihrem Ortsschild stehen haben.
Eine der brennenden Fragen der Zeit sind öffentliche Budgets und der Haushalt. Wie ist das mit der finanziellen Ausstattung der Kommunen für die Digitalisierung? Ist in Zeiten der Krise und der nicht gerade starken Wirtschaft das Geld dafür da?
Dr. Uwe Brandl: Wir wissen alle, dass es um die kommunalen Finanzen derzeit nicht zum Besten bestellt ist. Die Prognose der kommunalen Spitzenverbände rechnet für das Jahr 2024 mit einem Finanzierungsdefizit von rund 10 Milliarden Euro. Dennoch wäre es fatal, wenn wir gerade bei der Digitalisierung zum Sparen gezwungen wären, denn mittel- und langfristig lassen sich durch Investitionen in digitale Prozesse und Automatisierung auch Kosten sparen. Was vielleicht noch wichtiger ist: Nur wenn wir in Deutschland digital gut aufgestellt sind, bleiben wir für die Bürgerinnen und Bürger und die Wirtschaft auch als Standort attraktiv. Digitalisierung ist schon lange kein „Nice-to-have“ mehr, sondern ein „Must-have“ zum Erhalt von Wettbewerbsfähigkeit, Wohlstand und Lebensqualität. Für die Digitalisierung muss Geld da sein, das erwarten wir von Bund und Ländern.