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News · 21.03.25

Digitalisierung jetzt! ...aber wie?

Dr. Uwe Brandl aus Bayern ist seit 2023 erneut Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Zuvor war er bereits 2018–2020 im Amt und bis 2023 Bürgermeister von Abensberg. Wir sprachen mit ihm über Digitalisierung, finanzielle und organisatorische Hemmnisse sowie zentrale Fortschritte und Chancen.

Ein Gespräch mit Dr. Uwe Brandl, Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes

Dr. Uwe Brandl stammt aus Bayern und seit 1.1.2023 ist erneut Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Übrigens bereits zum zweiten Mal, denn er hatte dieses Amt schon zwischen 2018 und 2020 bekleidet. Gleichzeitig war Dr. Brandl von 1993 bis 2023 Bürgermeister der 12.000-Einwohner-Stadt Abensberg, in der er auch geboren wurde. Wir haben mit ihm über die Digitalisierung, über finanzielle und organisatorische Hemmnisse sowie über die wichtigsten Fortschritte, Chancen und Argumente dafür gesprochen.
Dr. Uwe Brandl

Herr Dr. Brandl, Sie kennen beide Seiten der Digitalisierungsmedaille:
Einerseits wissen Sie, wie Digitalisierung über einen Spitzenverband vorangetrieben wird. Andererseits haben Sie als Bürgermeister einer Kommune mit etwas über 10.000 Einwohnern auch Erfahrung darin, welche Herausforderungen sich in der Praxis bei der Umsetzung stellen. Gehen diese beiden Welten zusammen?

Dr. Uwe Brandl: Natürlich passen diese beiden Welten zusammen. Es handelt sich ja gerade nicht um eine gegensätzliche Position, denn mit dem Deutschen Städte- und Gemeindebund vertreten wir die Interessen von mehr als 10.000 Kommunen in Deutschland. Daher stehen die Anforderungen und Erfahrungen aus der kommunalen Praxis, wie auch ich sie in rund 30 Jahren als Bürgermeister machen durfte, im Mittelpunkt. Allen Protagonisten im Digitalisierungsprozess ist vollkommen klar, dass es ohne digitale Werkzeuge in Zukunft nicht mehr funktionieren wird. Diese Erkenntnis vertreten wir als kommunaler Spitzenverband mit Überzeugung. Als Spitzenverband schauen wir im Übrigen sehr genau auf die Rückmeldungen aus den Städten und Gemeinden. Vor Ort zeigt sich, wie realistisch die Pläne von Bund und Ländern sind. Und genau daran richten wir unsere Politik als Spitzenverband aus.

Was uns besonders interessiert: Die Digitalisierung darf nicht nur in Mega Cities oder Millionenstädten funktionieren. Sie muss es auch in kleinen Kommunen. Wie erleben Sie das im Alltag? Gibt es Beispiele der kleinen Kommunen, die bei der Digitalisierung vorangehen? Haben diese vielleicht sogar Vorteile, weil Prozesse weniger komplex und Datenmengen geringer sind?

Dr. Uwe Brandl: Digitalisierung bietet für Kommunen aller Größenklassen immense Chancen. In der öffentlichen Diskussion werden vielleicht immer noch zu sehr die großen Städte beleuchtet. Das führt aber nicht zum Ziel, denn es ist in der Tat so, dass es sich bei der Umsetzung von Digitalisierungsvorhaben ja immer auch um Veränderungsprozesse innerhalb einer Verwaltung handelt, die gesteuert und moderiert werden müssen. Das kann in kleineren Gemeinden oder mittleren Städten manchmal besser gelingen als in den Großstädten. Als Beispiel kann hier etwa die bayerische Gemeinde Spiegelau dienen, die schon viel umgesetzt haben und die Digitalisierung sogar auf ihrem Ortsschild stehen haben.

Eine der brennenden Fragen der Zeit sind öffentliche Budgets und der Haushalt. Wie ist das mit der finanziellen Ausstattung der Kommunen für die Digitalisierung? Ist in Zeiten der Krise und der nicht gerade starken Wirtschaft das Geld dafür da?

Dr. Uwe Brandl: Wir wissen alle, dass es um die kommunalen Finanzen derzeit nicht zum Besten bestellt ist. Die Prognose der kommunalen Spitzenverbände rechnet für das Jahr 2024 mit einem Finanzierungsdefizit von rund 10 Milliarden Euro. Dennoch wäre es fatal, wenn wir gerade bei der Digitalisierung zum Sparen gezwungen wären, denn mittel- und langfristig lassen sich durch Investitionen in digitale Prozesse und Automatisierung auch Kosten sparen. Was vielleicht noch wichtiger ist: Nur wenn wir in Deutschland digital gut aufgestellt sind, bleiben wir für die Bürgerinnen und Bürger und die Wirtschaft auch als Standort attraktiv. Digitalisierung ist schon lange kein „Nice-to-have“ mehr, sondern ein „Must-have“ zum Erhalt von Wettbewerbsfähigkeit, Wohlstand und Lebensqualität. Für die Digitalisierung muss Geld da sein, das erwarten wir von Bund und Ländern.

Und wie erleben Sie die Stimmung unter den Entscheidern? Als Präsident des DStGB führen Sie ja sicher viele Gespräche. Was für ein Gefühl haben Sie hier? Sind wir in einer digitalen Aufbruchsstimmung oder mit den rasanten Entwicklungen eher überfordert?

Dr. Uwe Brandl: Die Chancen durch die Digitalisierung werden deutlich gesehen. Dennoch fehlt vielfach das notwendige Fachwissen, was sicherlich auch auf die rasante Geschwindigkeit zurückzuführen ist, mit der sich die technologischen Veränderungen vollziehen.
Wenn wir eben noch über die E-Akte gesprochen haben müssen wir nun feststellen, dass diese durch KI vielleicht überflüssig werden kann. Hier brauchen wir Beratung und Unterstützung, um die richtigen Investitionsentscheidungen treffen zu können.

Ein guter Teil der Kommunen bewertet den eigenen aktuellen Digitalisierungsstand als unzureichend. Welche Hauptfaktoren sehen Sie dafür und was wären effektive Schritte zur Verbesserung?

Dr. Uwe Brandl: Diesen Befund kann ich so nicht teilen, den der vom Deutschen Städte- und Gemeindebund jedes Jahr erhobene „Zukunftsradar Digitale Kommune“ hat in 2023 ein etwas optimistischeres Bild gezeichnet. Dort sagen rund 60 Prozent der befragten Kommunen, dass sie im vergangenen Jahr Fortschritte in diesem Bereich gemacht haben. Dies mag noch nicht ausreichen, aber das Engagement ist vorhanden und die Städte und Gemeinden haben sich auf den Weg gemacht. Was wir natürlich, gerade in den kleineren Kommunen, brauchen, ist wirksame Unterstützung durch das Land, etwa bei der Beschaffung von neuen Anwendungen oder im Bereich der Aus- und Weiterbildung. Zugleich benötigen wir mehr Verlässlichkeit in den Prozessen. Die Entwicklung rund um das OZG etwa hat bisher weder Vertrauen noch Planbarkeit geschaffen.

Wenn wir mit Menschen, die in Kommunen arbeiten, sprechen, kommen wir schnell auf das Thema des Fachkräftemangels. Das spielt auch bei der Digitalisierung eine Rolle. Hierbei versprechen sich einige Akteure viel – mehr Effizienz, bessere Prozesse und vielleicht ein besseres Image für die Jobs, um nur einige Punkte zu nennen. Kann uns die Digitalisierung hier weiterhelfen und wenn ja, wie?

Dr. Uwe Brandl: Wenn wir uns die demografische Struktur in den Kommunalverwaltungen anschauen, dann ist die Digitalisierung die einzige Lösung aus dem sich abzeichnenden Dilemma oder vielleicht sogar die „letzte Chance“. Rund ein Drittel der Beschäftigten wird in den nächsten 10 Jahren in den Ruhestand gehen. Das fangen wir – Stichwort Fachkräftemangel – ohne digitale Unterstützung nicht auf. Zudem kann gerade die Entlastung von Routineaufgaben dazu beitragen, die Arbeitsplätze in den Kommunen attraktiver zu machen.

Wenn wir schon beim Thema Jobs sind: Die KI steht im Ruf, einige Jobs obsolet zu machen. Ob das so kommt, werden wir sehen. Gewiss hat sie aber das Potenzial, uns repetitive Arbeiten abzunehmen und die Arbeitswelt vielleicht sogar spannender zu machen. Was ist Ihr Blick darauf?

Dr. Uwe Brandl: Genau darum geht es. Gerade in Zeiten knapper personeller Ressourcen ist es doch kaum zu vermitteln, dass wir Personal suchen, das Daten von der einen Tabelle in eine andere überträgt.
Wir haben es bei der Wohngeldnovelle gesehen. Weil digitale Lösungen fehlen, haben wir sehr viele Mitarbeitende einsetzen müssen, um eingehende Anträge händisch zu bearbeiten. Das kostet Zeit, Geld und Attraktivität des Arbeitsplatzes. Da haben wir in den Städten und Gemeinden wahrlich spannendere Tätigkeiten zu bieten.

Angesichts der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) und der damit verbundenen Herausforderungen: Wie wichtig und richtig ist hierbei die Kooperation zwischen verschiedenen Verwaltungsebenen und der Privatwirtschaft? Kann eine engere Zusammenarbeit die Digitalisierung beschleunigen?

Dr. Uwe Brandl: Nicht nur mit Blick auf das Onlinezugangsgesetz ist doch deutlich geworden, dass es sich bei der Digitalisierung der Verwaltung und darüber hinaus beim digitalen Umbau der Städte und Gemeinden um ein hochkomplexes Vorhaben handelt. Das werden wir bei allem bewundernswerten Engagement der Akteure nicht allein aus dem öffentlichen Sektor heraus stemmen können.
Wir brauchen eine enge Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft, aber nach unseren Regeln, etwa mit Blick auf den Datenschutz, die Datensicherheit und die Anbietervielfalt.

Am Ende soll die Digitalisierung ja für die Bürger und Bürgerinnen da sein. Manche Kommunen setzen bei digitalen oder auch bei Smart City Projekten stark auf deren Beteiligung. Ebenso werden Bürger danach gefragt, wie sie sich die Transformation ihrer Wohn- oder Arbeitsorte wünschen. Kann so etwas die Zufriedenheit mit digitaler Verwaltung oder mit smarten Technologien fördern?

Dr. Uwe Brandl: Natürlich, denn wir entwickeln diese Angebote ja für unsere Bürgerinnen und Bürger. Sie müssen daher an den Entscheidungen beteiligt werden, denn sie sollen die neuen Lösungen ja auch nutzen. Wenn wir ehrlich sind, haben wir viele Jahre digitale Angebote an den Interessen der Bürgerinnen und Bürger vorbei entwickelt und mussten dann feststellen, dass sie nicht genutzt werden. Also sind eine enge Einbindung und eine gemeinsame Zielentwicklung der richtige Weg.

Auf der Website des DStGB haben wir erst kürzlich gelesen, dass hierzulande 60 Prozent der Menschen die Gesellschaft als „digital gespalten“ erleben. 50 Prozent haben Sorge, dass sie den digitalen Anschluss verlieren. Wie können wir Menschen stärken und ihnen diese Ängste nehmen?

Dr. Uwe Brandl: Das ist ein Befund, der uns Sorge bereitet. Es zeigt, dass sich viele Menschen mit den rasanten Veränderungen überfordert fühlen. Hier müssen wir gegensteuern, indem wir versuchen,
die Menschen auf dem Weg in die Digitalisierung zu begleiten und zu unterstützen. Das kann über spezielle Angebote, etwa für Seniorinnen und Senioren oder Menschen mit verschiedenen Bildungshintergründen, funktionieren. Außerdem müssen wir die Sorgen der Menschen ernst nehmen und ihnen vermitteln, dass Digitalisierung kein Selbstzweck ist, sondern die Verbesserung der Lebensqualität vor Ort zum Ziel hat. Digitalisierung muss also in gewisser Weise analog und im Dialog gestaltet werden. Mit unserer Unterstützung für die breit aufgestellte Initiative „Digitaltag“ nehmen wir genau diese Herausforderung in den Blick. Wichtig ist, dass die Gesellschaft als Ganzes sensibilisiert ist, dass es unterschiedliche Wahrnehmungen und Geschwindigkeit gibt. Es hat auch viel mit Rücksichtnahme und Toleranz zu tun, dass digitale Teilhabe gelingen kann.

Und sagen wir in 5 Jahren, oder in 10 – wo glauben Sie stehen wir da bei der Digitalisierung?

Dr. Uwe Brandl: Ich hoffe sehr, dass wir in dieser Zeit wirkliche Fortschritte gemacht haben und unser Land ein ganzes Stück digitaler ist als heute. Sicherlich wird es durch Automatisierungsprozesse und insbesondere KI noch einmal einen wirklichen Schub geben, dessen Umfang wir nur sehr schwer einschätzen können. Klar ist aber, dass wir alles mit dem klaren Leitsatz tun, dass es den Menschen in unserem Land nutzen muss. Digitale Technik als Mittel zur Erreichung der Ziele in der analogen Welt, das sollte auch in 10 Jahren noch unsere Richtschnur sein.

Hinweis: Dieser Artikel wurde ursprünglich im K1 Magazin veröffentlicht. Weitere interessante Inhalte und spannende Beiträge finden Sie in der letzten Ausgabe des Magazins.

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