Schnell wurde dem Publikum klar: Die Wahrnehmung der Corona-Pandemie aus Sicht der Wissenschaft ist deutlich vielschichtiger und „normaler“ als viele ahnen – für Frank Roselieb ist die Corona-Pandemie einer von mehr als 10.000 Krisenfällen, die seit 1984 erfasst wurden, genau genommen der 10.173. Krisenfall. Der geschäftsführende Direktor und Sprecher des Krisennavigator, Institut für Krisenforschung – ein Spin-Off der Universität Kiel – bewertet und begutachtet seit mehr als 20 Jahren Krisen und ihre Bewältigung, informiert und trainiert Krisenstäbe und leitet Kongresse zum Thema. Er berät die interdisziplinären Gremien aus Politik, Justiz, Wirtschaft und weiteren Fachrichtungen, z. B. aus der Medizin, die sich landes- und bundesweit um die Bewältigung von Krisen kümmern.
Das "new normal" wird kommen
Für ihn ist die Krise zwar keine Wiederholung, aber sie folgt klaren Mustern. Die vier Phasen von der Vorstufe bis zum Krisenfall und die Ordnung nach Krisentypen – das alles ist längst klassifiziert. So unterscheidet er die bilanzielle Krise, also Firmenpleite, von der kommunikativen Krise, landläufig Skandal genannt, sowie der operativen Krise, die immer eine Störung im Prozessablauf beschreibt. „Die Corona-Krise“, so der renommierte Fachmann, „liegt links und rechts davon, denn sowohl die wirtschaftliche als auch die operative Kontinuität sind durch sie gestört.“ Das ist auch einer der Gründe, warum es nach seiner Einschätzung keine Rückkehr zum Altbekannten geben wird: Weder Steuereinnahmen noch Wirtschaft ließen sich kurzerhand auf den Stand vor Corona zurückheben, ein „new normal“ wird kommen, so Roseliebs Prognose.